13 Vom Angesicht angesehen werden | oder: Die unendliche Andersheit des Anderen

Woran liegt es, dass es so schwer ist, „die Mitte“ freizuhalten? Antwort: Es hängt mit unserem kulturellen Ichbewusstsein und Seinsverständnis zusammen. Die deutsche Geistesgeschichte hat im Zeitalter der Moderne einen hohen Wert auf die Autonomie des Individuums gelegt. Diese Art von Freiheitsverständnis hat jedoch zu viel Rücksichtslosigkeit und zu vielen Konflikten geführt. Ganz anders der französische Philosoph Emmanuel Lévinas: Er betont, dass uns im Anderen ein unverfügbares Angesicht ansieht und in Verantwortung füreinander ruft. Seine Philosophie hilft dabei, das Geheimnisvolle von Schalomräumen noch tiefer zu verstehen.

00:00 Die unendliche Andersheit des Anderen
05:35 Emmanuel Lévinas als herausragender Philosoph
09:41 Der unaufhaltsame Aufstieg des Ego-Ichs
12:07 Das sich selbst befreite Ich greift nach außen
15:26 Sozialität ist nur eine sekundäre Ergänzung
18:02 Verschiedene Versuche, um gegenzusteuern
19:56 Das Angesicht als Schlüsselbegriff
23:56 Das Ego-Ich kann über das Angesicht nicht verfügen
26:28 Wir befinden uns grundlegend in Verantwortung
29:21 „Der Herr blicke euch freundlich an…“

12 Zimzum | oder: Die Mitte frei machen und frei halten

Intensiv christliche Gemeinschaften betonen, dass sie Jesus in die Mitte stellen. Was aber meint das? Wie lässt sich in unserer Mitte ein Raum für den Auferstandenen eröffnen, ohne in einen Jesus-Kult zu verfallen? In dieser Episode gehen wir dem Begriff „Mitte/ler“ nach und verbinden diese Spuren mit der kabbalistischen Lehre vom Zimzum, der Kontraktion Gottes. Indem sich Gott aus seiner Mitte zurückzieht, macht er den Raum frei für Neues. Das ist der große kosmische Hintergrund für das, was wir mit „Schalomräume aufspannen“ bezeichnen.

00:00 Zimzum: Die Mitte frei machen und frei halten
01:46 (1) Was meint: Jesus in die Mitte stellen?
09:32 (2) Rückblende: Zellgemeinde-Konferenzen
16:01 (3) Zurück ins NT: Jesus der Mitte/ler
20:37 (4) Jesus ist der Gastgeber einer freien Mitte
23:39 (5) Von wo aus redet Gott? Aus der leeren Mitte
28:21 (6) Die Lehre vom Zimzum | Gottes Kontraktion
34:58 (7) Die Rolle des Kreuzes als Zimzum Gottes
40:32 Die Puzzleteile zusammensetzen

  • Christoph Schulte: Zimzum – Gott und Weltursprung, Berlin 2014.
  • Gershon Scholem: Schöpfung aus dem Nichts und Selbstverschränkung Gottes, in: Über einige Begriffe des Judentums, Frankfurt am Main 1970, S.53-89.

Auch Jürgen Moltmann greift in seiner Schöpfungstheologie die Lehre vom Zimzum auf:

  • Jürgen Moltmann: Gott in der Schöpfung – Ökologische Schöpfungslehre, München 1985, besonders die Seiten 98-99 und 160.

11 Flips für Fremde | oder: Zu einem Kristallisationspunkt werden

Alles beginnt mit einem Anfang. Das klingt banal, hat aber eine tiefe Bedeutung. Hannah Arendt spricht von der Natalität des Menschen. Das bedeutet, dass jeder Mensch Anfänge setzen kann. Wir können gestalten und sind nicht ohnmächtig einem Schicksal ausgeliefert. Schalomräume entstehen, indem jemand einen ersten Schritt macht. Der erste Schritt ist zugleich ein Schritt auf jemand anderen zu, als auch ein Schritt von sich zurück. Nur, indem ich mich zurücknehme, entsteht ein Zwischenraum, in dem eine echte Begegnung stattfinden kann.

00:00 Zu einem Kristallisationspunkt werden
01:42 Flips für Fremde
08:00 Hannah Arendt und die Natalität
10:59 Alles beginnt mit Kristallisationspunkten
15:39 Die Phasen des Anfangens
21:34 Wie kann ich von mir selbst zurücktreten?
28:50 Exkurs: Was meint „authentisch sein“?
32:46 Den inneren Christusraum kultivieren
37:16 Beten als Dialyse des Geistes
40:09 Hörübung: In Christus sein

  • So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. (Röm.8,1)
  • Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. (Röm.8,2)
  • Weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Röm.8,39)
  • Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung,… (1Kor.1,30)
  • Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. (1Kor.15,22)
  • Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2Kor.5,17)
  • Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. (Gal.3,26)
  • Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Gal.3,28)
  • Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. (Eph.2,10)
  • Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi. (Eph.2,13)
  • Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus. (Eph.4,32)
  • … und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. (Phil.3,14)
  • Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus. (Kol.2,15)
  • Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. (1Tim.1,14)
  • So sei nun stark, mein Kind, durch die Gnade in Christus Jesus. (2Tim.2,1)
  • Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. (1Petr.5,10)

  • Arendt, Hannah: Über das Böse – Eine Vorlegung zu Fragen der Ethik, München 2007.
  • Volf, Miroslav: Von der Ausgrenzung zur Umarmung: Versöhnendes Handeln als Ausdruck der christlichen Identität, Marburg, 2012.

10 Die Kunst des Hostings | Gastgebung als Schlüsselrolle

Schalomräume entstehen nicht automatisch. Sie müssen initiiert werden. Es bedarf einer Person, die den Anfang setzt. Aber es gibt keine Garantie, dass sich solche Räume „öffnen“ und sie „gedeihen“. Die Schlüsselrolle, damit Schalomräume entstehen und aufblühen können, wird mit dem Begriff „Host“ oder der „Kunst des Hostings“ bezeichnet. Ein Host ist ein:e Gastgeber:in für tiefere und bedeutungsvollere Gespräche. Das Spannende: Es lässt sich lernen. Jede:r kann zu einem Schalom-Host werden.

00:00 Die Kunst des Hostings
01:57 Was ist gute Gastgebung?
03:35 Host: Sechs neue Rollen für Engagement
05:52 (1) Initiator, (2) Inviter, (3) Space Creator
07:32 (4) Gatekeeper, (5) Connector, (6) Co-Participator
11:12 Sich als Host an vier Orten bewegen
15:32 Drei vertiefende Bilder für Hosting
21:17 Art of Hosting – Tiefe Gespräche initiieren
26:25 Ein Gespür für lebensfördernde Beziehungsräume

  • McKergow, Mark; Bailey, Helen: HOST – Six New Roles of Engagement – For Teams, Organizations, Communities, Movements, London 2014.
  • Pogatschnigg, Ilse M.: The Art of Hosting – Wie gute Gespräche Führung und Zusammenarbeit verbessern, München 2021.

09 Die Kraft des Dialogischen – Buber, Bohm, Isaacs und Hartkemeyer

Vieles, was wir in diesem Podcast mit „Schalomräume aufspannen“ bezeichnen, kommt in anderen Fachbereichen mit einer anderen Begriffssprache vor. Eine wichtige Spur ist das „Dialogische Prinzip“ und das Wesen echter Begegnung. Martin Buber und David Bohm sind bedeutsame Pioniere. Verlängert werden diese Überlegungen von Peter M. Senge, William Isaacs im Themenfeld der Organisationsentwicklung. Martina und Johannes Hartkemeyer liefern eine Reihe von praktischen Anleitungen, um dialogische Intelligenz einzuüben.

00:00 Die öffnende Kraft des Dialogischen
04:55 Der Ursprungsbegriff „dia-logos“
06:15 (1) Martin Buber und die Kunst der Begegnung
14:35 (2) David Bohm und das gemeinsame Denken
24:56 (3) William Isaacs und die transformative Kraft
30:04 (4) Die Hartkemeyers und praktische Anleitungen

08 Wo und wann Schalomräume entstehen | Von Wolken, Seifenblasen und Schwungtüchern

Schalom hat nichts mit einer passiven, gelangweilten Ruhe zu tun. Ganz im Gegenteil: Schalom ist dynamisch, pulsierend und lebensfördernd. In dieser Episode geht es darum, das Phänomen von Schalomräumen mit Bildern aus der heutigen Zeit zu beschreiben. Und ein genaueres Verständnis davon zu bekommen, wo und wann sich Schalomräume ereignen können. Die Herausforderung besteht darin, ein Themenfeld, das unter den Überschriften „Frieden“ und „Reich Gottes“ vielen als allzu bekannt vorkommt, erneut zu entdecken.

00:00 Das Was, das Wo und das Wann kompakt erklärt
02:48 (1) Was ist Schalom?
04:49 Fingerprints of Fire – Footprints of Peace
06:04 Schalom als Energiefeld des Lebens
07:24 Schalom als Beziehungsgeschehen
10:14 (2) Welche Bilder sind treffend?
10:33 Schalomräume als Wurfzelte
11:19 Schalomräume als Wolken und Aufwindfelder
14:06 Schalomräume als kunstvolle Seifenblasen
15:46 Schalomräume als Schwungtücher
17:35 (3) Was meint der Begriff „Raum“?
22:17 (4) Wo können Schalomräume entstehen?
24:32 (5) Wie groß können Schalomräume werden?
26:08 (6) Wann können Schalomräume entstehen?
28:26 (7) Wie lange dauern Schalomrräume an?
30:32 (8) Wie lassen sich Schalomräume stabilisieren?
32:57 Gastgeber:in für Gottes Schalom werden

07 Wie Jesus Schalom lebte | Begegnungen voll Gnade und Wahrheit

Jesus verkündigte nicht nur mit Worten das angebrochene Friedensreich Gottes. Einen Großteil seiner Botschaft lässt sich an seinem Leben ablesen. Das Lukasevangelium betont besonders die Tischgemeinschaften. Im Johannesevangelium werden tiefe Begegnungen beschrieben. Das Auftreten von Jesus war „voll Gnade und Wahrheit“. Das sind zwei Begriffe, denen umfangreiche hebräische Wortfelder zugrunde liegen. In Kombination mit „Güte und Treue“ wie auch mit „Gerechtigkeit und Friede“ ergibt sich ein spezifischeres Bild davon, was Schalomräume ausmacht.

00:00 Wie Jesus den Schalom Gottes gelebt hat
01:17 Vier Evangelien mit verschiedenen Aspekten
03:49 Jesus sammelt Schüler für einen Schalomraum
04:53 Tischgemeinschaften im Lukasevangelium
07:03 Beispiele aus dem Lukasevangelium
13:12 Lukas 10: Ausgesandt in die Gutshöfe
15:57 Begegnungen im Johannesevangelium
16:50 Beispiele aus dem Johannesevangelium
20:29 Schalom am Lagerfeuer mit Brot und Fisch
21:59 Die Beziehungsqualität von Schalomräumen
24:26 Jesus war voll Gnade und Wahrheit
26:21 Psalm 85: Gerechtigkeit und Friede
27:51 Die umschreibende Sprache hebräischer Poesie
29:09 Drei Begriffspaare interpretieren sich gegenseitig
31:27 Wahrheit ist ein Beziehungsgeschehen
32:27 NT-Briefe: Gemeinden als Räume des Schalom
35:37 Das Ende der Apostelgeschichte als Anfang

06 Jesus zwischen den Strömungen seiner Zeit – Sadduzäer, Zeloten, Essener, Pharisäer

Um Jesu Verständnis vom Friedensreich Gottes besser zu verstehen, ist es wichtig, nicht nur auf seine Worte zu achten. Interessant ist, wie er sich zu den vier religiös-kulturellen Hauptströmungen verhalten hat: den Sadduzäern, den Zeloten, den Essenern und den Pharisäern. Was hat er bei ihnen positiv aufgegriffen und wo hat er sich distanziert? Je mehr wir uns mit diesen vier Gruppen beschäftigen, desto klarer wir, wie kein Schalomraum entsteht. Stattdessen hat Jesus einen neuen Weg gelehrt.

00:00 Vier religiöse Strömungen
01:37 (1) Sadduzäer – Obrigkeitliche Institution
08:04 (2) Zeloten – Revolution von unten
16:59 (3) Essener – Rückzug aus der Welt
23:45 (4) Pharisäer – Alltagsintegrierte Praxis
32:22 Die Suche nach einem neuen Weg

Buchtipp: Küng, Hans: Jesus, München 2012.

05 Gottes Friedensreich als flüchtiger Zeltraum, Teil 02 | Was Jesus darüber lehrte

Jesus hat deutlich herausgestellt, dass das Friedensreich Gottes bereits angebrochen ist. Die Frage „Wann wird es geschehen?“ war damit beantwortet. Offen ist aber die Frage „Wo wird es sichtbar?“. Und genau dafür braucht es das Wir. Indem wir uns in seinem Namen versammeln, kann sich das Friedensreich im Mitten-unter und im Dazwischen ereignen.

00:00 Gottes flüchtiges Friedensreich, Teil 2
00:50 (1) Gottes Friedensreich ist nahe
15:27 (2) Auf Gottes Friedensreich kann man nicht zeigen
20:56 (3) Gottes Friedensreich ereignet sich mitten unter

04 Gottes Friedensreich als flüchtiger Zeltraum, Teil 01 | Herausfordernde Versprachlichung

Wenn Jesus über das Friedensreich Gottes sprach, dann ging es um etwas Reales. Es war kein bloßes Glaubensgut, das möglicherweise in ferner Zukunft relevant werden könnte. Allerdings stand Jesus vor dem Problem, das Außergewöhnliche des Friedensreiches in einer uns bekannten Sprache darzustellen. Unsere Sprache ist jedoch begrenzt und mehrdeutig. Wenn wir uns im Weiteren mit dem Friedensreich Gottes beschäftigen, ist es wichtig, genau diese Begrenztheit der Sprache in Erinnerung zu behalten.

00:00 Gottes flüchtiges Friedensreich, Teil 1
01:13 Das Problem mit der Darstellbarkeit
03:37 Sprache und ihre Begrenzungen
08:00 Die Mehrschichtigkeit von Sprache
10:56 Der Begriff „Gott“ ist eine Näherung
17:05 Anders gedacht: Gott ist uns zu dicht
20:54 Wir müssen Sprache verwenden
22:52 Sprache ist ein offener Wohnraum
23:56 Wie viel Schwebendes hältst du aus?